Do 16. Dezember 2021
Mit der Ausstellung FOODPRINTS widmet sich das Technische Museum Wien nicht nur einem der großen Themen des 21. Jahrhunderts – der nachhaltigen Entwicklung –, sondern auch dem Essen und den Lebensmitteln. Beides ist untrennbar miteinander verbunden.
Kaum etwas ist uns als Menschen näher und gleichzeitig so eng verwoben mit den globalen Nachhaltigkeitszielen wie die Ernährung. Lebensmittel sind für uns Grundbedürfnis und Ressource, bedeuten aber auch Ressourcenverbrauch. Für manche sind sie im Überfluss vorhanden, während andere Hunger leiden. Die weltweit steigende Nachfrage nach Lebensmitteln, deren Produktion und Transport hat mehr Treibhausgase und Landverbrauch zur Folge. Zum anderen wirken sich Hitze und Dürre auf Flora, Fauna und die Qualität von Böden aus und belasten die Landwirtschaft, die die Grundlage unserer Ernährung bildet. Welchen Beitrag kann Technik zu einer nachhaltigeren Ernährungszukunft für alle leisten?

Die Herstellung: Auf dem Feld, im Gewächshaus und im Stall

Technische Weiterentwicklungen haben dazu beigetragen, dass sich das Zubereiten von Nahrung als Kulturtechnik zunehmend aus dem eigenen Umfeld, der eigenen Küche entfernt hat. Im Zuge der Industrialisierung begann sich die Lebensmittelverarbeitung in entfernte Produktionsstätten auszulagern. Hinzu kommt die Mechanisierung der Landwirtschaft seit dem 19. Jahrhundert, die landwirtschaftliche Anbaumethoden beeinflusste und höhere Erträge ermöglichte. So konnten sich der Anbau von Pflanzen und die Tierzucht für die menschliche Ernährung zunehmend konzentrieren: Immer weniger Bäuer_innen bewirtschaften immer größere Flächen und Bestände, auch mithilfe des Einsatzes von Technik – vom Traktor bis zum Kunstdünger. Technologien können auch helfen, auf dem Acker und im Gewächshaus mit natürlichen Ressourcen schonender umzugehen. Feldroboter können die Gesundheit von Böden und Pflanzen überwachen. Den Einsatz von Pestiziden gegen Schädlinge verringern können kleine Drohnen, die in Gewächshäusern eingesetzt werden. Das ökologische Gleichgewicht in einem Gewächshaus bleibt erhalten und Schäden an der Ernte können verhindert werden.

Drohne zur Schädlingsbekämpfung © PAT Drones
Da Pflanzennährstoffe, besonders Phosphor, im Boden immer knapper werden, wird an nachhaltigen Lösungen zu deren Rückgewinnung geforscht. Phosphor aus Kunstdüngern muss nicht ungenutzt im Abwasser landen, sondern kann recycelt werden. Das schont Ressourcen und Gewässer.

Der Transport: Unterwegs

Lebensmittel wurden durch verbesserte Transportmöglichkeiten, basierend auf Dampfmaschine und Verbrennungsmotor, mobiler und konnten in alle Welt transportiert werden. Das bringt einen ebenso hohen Energieverbrauch wie Treibstoffausstoß mit sich.
Der nachhaltige, weil emissionsfreie Transport von Lebensmitteln ist das Anliegen der Segelcargo-Bewegung. Mit restaurierten Frachtsegelschiffen werden Waren wie Kaffee und Kakao, die nicht lokal angebaut werden können, nach Europa befördert. In den letzten Jahren wird auch das in den 1920er-Jahren entwickelte Flettner-Prinzip wiederentdeckt: Größere Cargoschiffe werden mit Rotorsegeln nachgerüstet, die die Windkraft nutzen. Sie entlasten den Hauptantrieb und reduzieren so den Treibstoffverbrauch.

Modell des Segelfrachtschiffs "Brigantes": Modell des Segelfrachtschiffs "Brigantes"
Modell des Segelfrachtschiffs "Brigantes"
Um Transportwege, aber auch Landverbrauch, zu minimieren, kann es sinnvoll sein, die Lebensmittelproduktion wieder dorthin zu bringen, wo es viele Esser_innen gibt – in die Städte. Das Vertical Farming, der Anbau von Gemüse und Kräutern in die Höhe, schont Ressourcen wie Boden, Wasser und Energie.
Um wieder nachvollziehbarer zu machen, woher Lebensmittel kommen und welchen Weg sie bis zum Teller zurücklegen, könnten in Zukunft Blockchain-Technologien genutzt werden. Sie ermöglichen, alle Schritte von Feld und Stall bis ins Supermarktregal zentral und sicher zu speichern. Für die Konsument_innen sind alle Informationen sichtbar auf der Verpackung nachlesbar.

Die Entsorgung: Im Mistkübel?

Werden Lebensmittel nicht gegessen und verderben, müssen sie entsorgt werden. Auch bereits bei der Produktion, dem Transport und im Handel gibt es Verluste. Dann sind Ressourcen verschwendet, die dabei zum Einsatz gekommen sind. Auch die Entsorgung selbst verursacht vermeidbare Treibhausgase.
Um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden, erleben altbewährte Techniken der Haltbarmachung wie das Einkochen und Fermentieren ein Revival. Seit dem späten 19. Jahrhundert wurden nicht nur Obst und Gemüse in Gläsern erhitzt und luftdicht verschlossen, um sie zu konservieren. Bei der Fermentation lassen Pilze, Enzyme oder Bakterien Gase, Säuren und Alkohol entstehen, die Lebensmittel wie z. B. Sauerkraut, Salami und Käse haltbar machen.

Auch technische Gadgets wollen uns dabei unterstützen, Einkäufe besser zu planen und die Frische von Lebensmitteln im Blick zu behalten – von der Kamera im Kühlschrank bis zur „smarten“ Eierablage, die an bevorstehende Ablaufdaten erinnert.
Neben Lebensmitteln belasten Unmengen Verpackungsabfall die Umwelt. Herkömmliches Plastik wird meist aus Erdöl hergestellt, einer endlichen Ressource. Es verrottet nicht, zersetzt sich zu Mikroplastik und verschmutzt Böden und Gewässer. Innovative Materialien für Verpackungen werden aus nachwachsenden Rohstoffen, z. B. Algen, hergestellt und lassen sich biologisch kompostieren.

Takeaway-Box der Firma Notpla Limited: Verpackungen aus Algen haben den Vorteil, essbar zu sein oder sich in Wasser aufzulösen, ohne es zu verschmutzen: Takeaway-Box der Firma Notpla Limited: Verpackungen aus Algen haben den Vorteil, essbar zu sein oder sich in Wasser aufzulösen, ohne es zu verschmutzen
Takeaway-Box der Firma Notpla Limited: Verpackungen aus Algen haben den Vorteil, essbar zu sein oder sich in Wasser aufzulösen, ohne es zu verschmutzen
Sieht man sich den Weg der Lebensmittel auf unsere Teller genauer an, wird deutlich, wie viel Technik darin steckt und welche Möglichkeiten diese bereithält. Heute sind angesichts des steigenden Bedarfs an Lebensmitteln weltweit Technik und Forschung gefragt, um eine nachhaltige Ernährungszukunft zu ermöglichen. Innovationen und historisches Know-how bieten entlang der Lebensmittelkette Lösungen für den reduzierten Einsatz von Ressourcen und einen schonenden Umgang mit der natürlichen Umwelt. Und nicht zuletzt geben wir alle als Esser_innen mit den eigenen, alltäglichen Entscheidungen rund ums Sattwerden und Genießen einen Auftrag an die Lebensmittelwirtschaft und -produktion.

Literaturhinweis:
Carolyn Steel: Sitopia. How Food Can Save the World, 2020.

Sophie Gerber (Technisches Museum Wien) ist Kustodin für Haushaltstechnik, Nahrungs- und Genussmittel sowie Kuratorin der Ausstellung FOODPRINTS.