Technikgeschichte als koloniale Wirtschaftsgeschichte (2020-2021)
Mustersammlungen von Rohstoffen und Halbfabrikaten sind wesentliche Grundlagen europäischer Technik- und Industriegeschichte. Als selten beforschte Dokumente kolonialer Handels- und Wissensgeschichte ermöglichen Rohstoffproben aus Ländern des „Globalen Südens“ heute Rückschlüsse auf Macht- und Ausbeutungsverhältnisse. Neben Rezeptionsobjekten – politische Propaganda, Lehrmittel und Produktwerbung – sind sie in Technikmuseen als Objekte aus kolonialen Kontexten anzusehen.Das Forschungsprojekt untersuchte die Provenienz von Kautschuk-Proben, die das TMW zwischen 1913 und 1918 und in den 1930er-Jahren für die Abteilung Chemische Industrie in der ersten Schausammlung erwarb. Deren Ziel war es, die Technologien und nationalökonomische Bedeutung der österreichischen Kautschukindustrie herauszustreichen. Das Projekt eruierte Herkunftsgebiete der Materialproben sowie koloniale Handelsnetzwerke und zeigte vor dem Hintergrund kolonialwirtschaftlicher Diskurse, wie die Sammlungsstrategie und Ausstellungsplanung eurozentristische Narrative und damit Leerstellen der Technikgeschichtsschreibung produzierten. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt lag auf der kritischen Analyse von Rezeptionsobjekten, die rassistische Stereotypen und verharmlosende Darstellungen kolonialer Ausbeutungsverhältnisse in den Plantagen herstellten und bewusst verbreiteten. Zudem befasste sich das Team mit zentralen Fragen der Dokumentation und Verschlagwortung „sensibler“ Sammlungsbestände in der Museumsdatenbank.