Mi 27. September 2023
Wie das Nutzungs- und Konsumverhalten Energieeinsparungen durch mehr Effizienz abschwächen können, zeigen sogenannte Rebound-Effekte.
Einer der wesentlichen Schlüssel zu einer umweltfreundlichen (Wirtschafts-)Welt, in der weniger Ressourcen und Energie verbraucht werden als heute, ist Effizienz. Die Effizienzsteigerung war bereits vor dem Wissen um Erderwärmung in den unterschiedlichsten Bereichen ein Motor für technologische Innovation, aber vielmehr dem Streben nach wirtschaftlichem Wachstum geschuldet. Sie wird heute als zentrales Mittel gehandhabt, um den Verbrauch von fossilen Energieträgern zu reduzieren und die Umweltziele, die sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene beschlossen wurden, zu erreichen. Und diese Ziele sind ambitioniert.

Bis 2030 will die österreichische Regierung den Endenergieverbrauch der Republik um 650 Petajoule reduzieren. Das wurde mit Beschluss einer Novelle des Bundes-Energieeffizienzgesetzes Anfang Juni 2023 erneut bestätigt. Zum Vergleich: 2021 lag der energetische Endverbrauch laut Statistik Austria für Österreich bei 1.123 Petajoule und damit nur knapp unter dem bisherigen Höchstwert vom Jahr 2017 (1.142 PJ). Die wichtigsten Bereiche, die seit den 1990ern zu einem beinahe kontinuierlichen Anstieg der verbrauchten Energie führten, sind der Verkehr und die Industrie. Was auffällt: Obwohl wir seit Jahrzehnten enorme Effizienzsteigerungen durch technologische Fortschritte in diesen Bereichen erzielen, steigt der Verbrauch. Natürlich sind dafür auch das Bevölkerungswachstum und die Digitalisierung, die Zunahme von elektronischen Geräten in unserem Alltag entscheidende Faktoren. Aber zunehmende Bedeutung wird auch sogenannten Rebound-Effekten zugesprochen.

 
Bruttoinlandsverbrauch zeitliche Entwicklung und nach Energieträgern: Bruttoinlandsverbrauch zeitliche Entwicklung und nach Energieträgern
Bruttoinlandsverbrauch zeitliche Entwicklung und nach Energieträgern
Ein Rebound-Effekt entsteht, wenn sich durch Effizienzsteigerungen die Nachfrage nach Produkten oder das Nutzungsverhalten verändert. Eine Firma kann zum Beispiel durch Energieeinsparungen und eine Reduktion der eingesetzten Ressourcen Produkte günstiger herstellen. Dadurch, dass das Produkt günstiger wird, steigt die Nachfrage dafür. Im Endeffekt produziert und verkauft die Firma mehr Güter als vor der Effizienzmaßnahme und verbraucht mehr Rohstoffe und Energie als zuvor. Günstigere Elektrogeräte führen dazu, dass im Schadensfall weniger repariert wird, die niedrigen Preise laden zum Neukauf ein. Was im Einzelfall unbedeutend wirkt, kann in der Masse schädliche Entwicklungen hervorrufen. Obwohl Technologien und Maschinen immer effizienter werden, verbrauchen wir mehr und mehr Energie und Ressourcen.

Wie das deutsche Umweltbundesamt im Handbuch „Rebound-Effekte: Wie können sie effektiv begrenzt werden” festhält, zeigen empirische Befunde, dass das Ausmaß von Rebound-Effekten je nach Handlungsbereich und Gestaltung der Effizienzmaßnahme variiert. Studien für verschiedene Energiedienstleistungen würden belegen, dass sich diese Effekte im Bereich von 20 bis 30 Prozent bewegen können, das heißt, die Einsparungen sind um diese Menge geringer als durch die Effizienzmaßnahmen erwartet.
 
Die Höhe von Rebound-Effekten gibt das Verhältnis zwischen erwarteter und realisierter Einsparung wieder. Bei 0 Prozent Effekt würden die erwarteten Einsparungen zur Gänze erzielt, bei 100 Prozent Rebound wird das Einsparungspotenzial vollständig kompensiert. Wenn ein Rebound-Effekt 100 Prozent übersteigt, wird von einem „Backfire“ gesprochen: Es kommt zu höheren anstatt zu geringeren Umweltauswirkungen aufgrund der Maßnahmen. Eine große Rolle bei der Bewertung von Rebounds spielt auch die potenzielle absolute Höhe – ein hoher Rebound-Effekt, der wenige Menschen betrifft, kann weniger umweltschädlich sein als ein geringer, der viele betrifft.

Man unterscheidet im Wesentlichen drei verschiedene Arten von Rebounds: die direkten, indirekten und gesamtwirtschaftlichen (bzw. makroökonomischen). Gut veranschaulichen lässt sich der Unterschied am Beispiel Auto. Ein direkter Rebound tritt auf, wenn jemand sich einen neuen Wagen anschafft, der aufgrund eines effizienteren Motors weniger Sprit verbraucht – und daraufhin öfter mit dem Auto fährt als zuvor oder sich gar aufgrund der effizienten Technologie für ein größeres Auto entscheidet.

 
Der Trend hin zu größeren Autos ist ein klassisches Beispiel für einen Rebound-Effekt. Die effizientere Technologie führt zu größeren Fahrzeugen, die im Endeffekt mehr Treibstoff verbrauchen: Der Trend hin zu größeren Autos ist ein klassisches Beispiel für einen Rebound-Effekt. Die effizientere Technologie führt zu größeren Fahrzeugen, die im Endeffekt mehr Treibstoff verbrauchen
Der Trend hin zu größeren Autos ist ein klassisches Beispiel für einen Rebound-Effekt. Die effizientere Technologie führt zu größeren Fahrzeugen, die im Endeffekt mehr Treibstoff verbrauchen
Ein indirekter Rebound wäre es, wenn diese Person wegen der Treibstoffeinsparungen beim Auto beim nächsten Urlaub ins Flugzeug steigt, obwohl er oder sie das zuvor nicht getan hätte. Und der gesamtwirtschaftliche Rebound tritt dann auf, wenn sich durch die gesteigerte Nachfrage nach effizienten Fahrzeugen Produktions- und Nachfragestrukturen ändern, also zum Beispiel sinkende Treibstoffpreise die Folge sind, die wieder zu mehr Nachfrage führen.
Das Beispiel veranschaulicht auch, wie komplex sich diese Effekte auswirken und wie schwer messbar sie sind. Im besten Fall führen Rebound-Effekte zu einer minimalen Verminderung der erwarteten Wirkung von Effizienzmaßnahmen, im schlimmsten Fall steigern sie den Energie- und Ressourcenverbrauch noch. Fest steht, und dies hält auch das deutsche Umweltbundesamt fest, dass zu den Ursachen „Unklarheit und Forschungsbedarf“ besteht. Sowohl finanzielle Gründe als auch psychologische und zeitliche Einflussfaktoren führen zu dem geänderten Nutzungs- und Konsumverhalten.
 
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Rolle der Verkehr beim Erreichen der Energieziele spielt, hilft ein Blick ins Jahr 2020. Die Corona-Krise brachte das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben vorübergehend zum Erliegen, wochenlang wurde durch bundesweite Lockdowns auch Energie eingespart. 2020 wurde schließlich eine Reduktion von 86 Petajoule im Vergleich zum Vorjahr gemessen. Diese war laut österreichischem Umweltbundesamt fast zur Gänze auf den Stillstand des Verkehrs zurückzuführen. Nur durch Lockdowns konnten also die Umweltziele, die das Bundes-Energieeffizienzgesetz für 2020 festgelegt hatte, erreicht werden. Der angestrebte Endenergieverbrauch wurde für das Jahr auf 1.050 Petajoule festgesetzt – was nach Schätzungen ohne Pandemiemaßnahmen weit überschritten worden wäre.
 
Laut einer aktuellen Studie des Umweltbundesamtes mit dem Titel „Relevanz von Rebound-Effekten im Kontext der Mobilitätswende” liegt der direkte Rebound-Effekt mit Bezug auf diverse Studien im Personenverkehr je nach Quelle bei 10 bis 30 oder auch bei 5 bis 45 Prozent und im Güterverkehr bei 10 bis 40 Prozent. Bis zu 45 Prozent der erwarteten Einsparungen bei Ressourcen und Energie werden also nicht erreicht. Der indirekte Rebound erreicht laut Bericht eine ähnliche Größenordnung, der makroökonomische wird „mit großen Unsicherheiten zwischen 30 % und 90 % geschätzt.”
 
Mehr Energieeffizienz bedeutet also nicht automatisch, dass weniger Energie verbraucht wird. „Rebound-Effekte gefährden das Erreichen von Energie- und Klimazielen, da sie den potenziell möglichen Effizienzgewinn schmälern”, wird im aktuellen Bericht mit Blick auf eine Studie aus dem Jahr 2018 festgehalten. „Um Rebound-Effekte abschwächen oder ihnen vorbeugen zu können, müssen sie ins Bewusstsein jener rücken, die umweltpolitische Instrumente und Maßnahmen (in der Mobilität) beschließen, in erster Linie also Politik und Verwaltung. Rebounds weisen immer noch einen geringen Stellenwert in Energie- und Klimastrategien auf”, heißt es im Kapitel über Prävention und Minderung von Rebound-Effekten in der Mobilität. Auf kommunaler Ebene wird „die Berücksichtigung von Rebound-Effekten auch bei allen kommunalen Mobilitäts- und Planungsstrategien empfohlen”.

 
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Übrigens gibt es auch im Sport den Begriff des Rebounds. Wenn der Ball nach einem missglückten Korbversuch zu einem Spieler aus demselben Team zurückprallt, kann er es noch einmal versuchen. Wenn er den Punkt macht, bekommt er den Rebound zugesprochen. Im metaphorischen Sinn kommt es jetzt also darauf an, wie Politik, Industrie und zuletzt auch Konsument_innen mit dem Wissen um Rebound-Effekte umgehen, wenn sie das Spiel gewinnen wollen.

Sarah Kleiner ist freie Journalistin in Wien.

Literatur: