... und wenn draußen die Vorbereitungen für festliche Bälle auf Hochtouren laufen, greift auch im Technischen Museum Wien ein Hauch vergangener Eleganz um sich: Bei der laufenden Depotinventur, in der Objekte geprüft, neu inventarisiert und Datensätze aktualisiert werden, tauchte ein unerwarteter Fund auf, der uns mitten hineinführt in die Welt historischer Haarpracht und Stylinggeheimnisse.
Die Ballsaison rückt näher …
Mi 10. Dezember 2025
Denn bei der Depotinventur wurde ein besonders interessantes Alltagsobjekt entdeckt, das spannende Einblicke in die Haarpflege-Kultur vergangener Zeiten gibt: Wir entdeckten in einer blauen Kartonschachtel, die mit der Inventarnummer 57645 versehen ist und vermutlich aus dem 19. Jahrhundert stammt, eine gelbliche, pulverige Substanz, die in alten Inventarbüchern des Museums als Frisierpulver geführt wird und bei der es sich laut Etikett um ein „Pulver aus Baumharz und pulverisirten Collodium zum Privilegiums Ansuchen des Karl Kapicka Friseur aus Prag“ handelt.
Frisierpulver und verschiedene Haarpflegeprodukte waren bereits im alten Ägypten bekannt. In Europa bringt man ihre Verwendung vor allem mit dem Beginn der Haarpudermode unter Heinrich IV. von Frankreich (1553–1610) in Verbindung, der angeblich braunes Puder nutzte, um seine grauen Haare zu kaschieren.
Styling mit Kollodiumwolle und Baumharz
Das Streben nach Schönheit macht die Menschen zu allen Zeiten erfinderisch. Im 19. Jahrhundert etwa reichte der oben erwähnte Friseur Karl Kapicka ein Patent auf ein Haarpflegeprodukt auf Basis von Baumharz und Kollodium ein. Baumharz entsteht in Pflanzen als natürlicher Schutzstoff, Kollodium wiederum ist eine zähflüssige Lösung aus Kollodiumwolle, Diethylether und Alkohol. Es wird heutzutage unter anderem in der Medizin, in der Farben- und Fotoindustrie sowie bei der Herstellung von Sprenggelatine und Klebstoffen verwendet.
Beide Substanzen sind sehr klebrig und bilden beim Trocknen einen durchsichtigen, elastischen Film mit starker Haftkraft. Ein Pulver aus Baumharz und Kollodium eignet sich daher ideal zum Stylen der aufwendigen Frisuren des 19. Jahrhunderts.
Wenn Restaurierung auf ein Haarpflegeprodukt trifft
Das Schächtelchen wies starke Gebrauchsspuren sowie einige Schäden auf und wurde daher samt Inhalt an die Restaurierungsabteilung des Technischen Museums Wien übergegeben. Hier sollte ein genauerer Blick auf den Erhaltungszustand des Objekts geworfen werden.
Frisierpulver und verschiedene Haarpflegeprodukte waren bereits im alten Ägypten bekannt. In Europa bringt man ihre Verwendung vor allem mit dem Beginn der Haarpudermode unter Heinrich IV. von Frankreich (1553–1610) in Verbindung, der angeblich braunes Puder nutzte, um seine grauen Haare zu kaschieren.
Styling mit Kollodiumwolle und Baumharz
Das Streben nach Schönheit macht die Menschen zu allen Zeiten erfinderisch. Im 19. Jahrhundert etwa reichte der oben erwähnte Friseur Karl Kapicka ein Patent auf ein Haarpflegeprodukt auf Basis von Baumharz und Kollodium ein. Baumharz entsteht in Pflanzen als natürlicher Schutzstoff, Kollodium wiederum ist eine zähflüssige Lösung aus Kollodiumwolle, Diethylether und Alkohol. Es wird heutzutage unter anderem in der Medizin, in der Farben- und Fotoindustrie sowie bei der Herstellung von Sprenggelatine und Klebstoffen verwendet.
Beide Substanzen sind sehr klebrig und bilden beim Trocknen einen durchsichtigen, elastischen Film mit starker Haftkraft. Ein Pulver aus Baumharz und Kollodium eignet sich daher ideal zum Stylen der aufwendigen Frisuren des 19. Jahrhunderts.
Wenn Restaurierung auf ein Haarpflegeprodukt trifft
Das Schächtelchen wies starke Gebrauchsspuren sowie einige Schäden auf und wurde daher samt Inhalt an die Restaurierungsabteilung des Technischen Museums Wien übergegeben. Hier sollte ein genauerer Blick auf den Erhaltungszustand des Objekts geworfen werden.

Die blaue Kartonschachtel wies starke Gebrauchsspuren auf ...
© Technisches Museum Wien

... und enthielt eine gelbliche Substanz, die als Frisierpulver ausgewiesen war
© Technisches Museum Wien
Die Schachtel aus Karton misst 460 x 450 x 200 mm, Deckel und Boden sind fest miteinander verbunden und fungieren wie ein Scharnier, um den Deckel öffnen zu können. Innen ist das Schächtelchen mit einem glatten, ochsenblutfarbenen Papier ausgelegt, während die Außenseite durch einen Überzug aus ultramarinblauem, zart streifig geprägtem Papier auffällt. Durch die Kombination der mit goldfarbenem Papier unterlegten Kanten ergibt sich ein elegantes Erscheinungsbild, unterstrichen durch das am Deckel angebrachte Etikett, welches mit Eisengallustinte in Kurrent beschriftet wurde.

© Technisches Museum Wien

© Technisches Museum Wien
Reinigen, fixieren und restaurieren
In ihrem Eingangszustand wies die Schachtel gesamtheitlich eine leichte Oberflächenverschmutzung auf. Sowohl am Deckel als auch am Boden war es durch übermäßigen Druck beim Schließen zu einem Bruch zweier Eckverbindungen gekommen, wodurch sich die Schachtel nicht mehr exakt zumachen ließ. Außerdem hatte sich das blaue und goldene Bezugspapier an mehreren Stellen gelöst und drohte, dort verloren zu gehen.
In einem ersten Schritt wurde die Schachtel innen und außen gründlich mit einem Polyurethan-Schwämmchen gereinigt. Anschließend wurden der Korpus klebetechnisch stabilisiert sowie die losen Papierteile wiederverklebt. Als Klebemittel wurde ein Weizenstärke-Tylose-Gemisch im Verhältnis 1:1 verwendet. Bruchkanten, die hell hervorblitzten, wurden mit Aquarellfarbe eingetönt und so optisch in den Hintergrund gedrängt.
Frisierpulver und Fressgewohnheiten
Zur Sicherstellung einer unbedenklichen Dauerlagerung wurde auch das Pulver begutachtet: Es war durchsetzt von feinen Gespinsten, Puppenlarven und feinkrümeligem Larvenkot. Hier hatten sich augenscheinlich Motten eingenistet, ein Umstand, der verwundert. Denn die Angaben zur Patenteinreichung – Baumharz und Kollodium – stehen eigentlich nicht am Speiseplan von Motten. Diese ernähren sich von Keratin, einem faserbildenden Eiweiß, das in der äußeren Hautschicht von Menschen und Tieren vorkommt. Man findet es in Federn, Haaren und Wolle, aber auch in Nägeln und Hörnern, wo es für Struktur und Festigkeit sorgt. Motten vermehren sich dort, wo sie Nahrung finden – in der Natur beispielsweise in Vogelnestern, im Wohnbereich in Teppichen und Kleidung und im Museum leider auch in Exponaten – wie in unserem Frisierpulver.
Fake oder Verkaufsschlager?
Wie konnte es also zu Mottenbefall kommen? Um diese Frage zu klären, wurde eine kleine Probe entnommen und eine Laboranalyse durchgeführt. Das Ergebnis ließ staunen: Keines der am Etikett angegebenen Stoffe befand sich in dem gelblichen Pulver. Stattdessen handelte es sich bei der Substanz um pulverisiertes Eiweiß. Ein Umstand, der zwar erklärt, warum das Frisurpulver den Fressgewohnheiten der Motten zugesprochen hat, aber gleichzeitig viele neue Fragen aufwirft.
In ihrem Eingangszustand wies die Schachtel gesamtheitlich eine leichte Oberflächenverschmutzung auf. Sowohl am Deckel als auch am Boden war es durch übermäßigen Druck beim Schließen zu einem Bruch zweier Eckverbindungen gekommen, wodurch sich die Schachtel nicht mehr exakt zumachen ließ. Außerdem hatte sich das blaue und goldene Bezugspapier an mehreren Stellen gelöst und drohte, dort verloren zu gehen.
In einem ersten Schritt wurde die Schachtel innen und außen gründlich mit einem Polyurethan-Schwämmchen gereinigt. Anschließend wurden der Korpus klebetechnisch stabilisiert sowie die losen Papierteile wiederverklebt. Als Klebemittel wurde ein Weizenstärke-Tylose-Gemisch im Verhältnis 1:1 verwendet. Bruchkanten, die hell hervorblitzten, wurden mit Aquarellfarbe eingetönt und so optisch in den Hintergrund gedrängt.
Frisierpulver und Fressgewohnheiten
Zur Sicherstellung einer unbedenklichen Dauerlagerung wurde auch das Pulver begutachtet: Es war durchsetzt von feinen Gespinsten, Puppenlarven und feinkrümeligem Larvenkot. Hier hatten sich augenscheinlich Motten eingenistet, ein Umstand, der verwundert. Denn die Angaben zur Patenteinreichung – Baumharz und Kollodium – stehen eigentlich nicht am Speiseplan von Motten. Diese ernähren sich von Keratin, einem faserbildenden Eiweiß, das in der äußeren Hautschicht von Menschen und Tieren vorkommt. Man findet es in Federn, Haaren und Wolle, aber auch in Nägeln und Hörnern, wo es für Struktur und Festigkeit sorgt. Motten vermehren sich dort, wo sie Nahrung finden – in der Natur beispielsweise in Vogelnestern, im Wohnbereich in Teppichen und Kleidung und im Museum leider auch in Exponaten – wie in unserem Frisierpulver.
Fake oder Verkaufsschlager?
Wie konnte es also zu Mottenbefall kommen? Um diese Frage zu klären, wurde eine kleine Probe entnommen und eine Laboranalyse durchgeführt. Das Ergebnis ließ staunen: Keines der am Etikett angegebenen Stoffe befand sich in dem gelblichen Pulver. Stattdessen handelte es sich bei der Substanz um pulverisiertes Eiweiß. Ein Umstand, der zwar erklärt, warum das Frisurpulver den Fressgewohnheiten der Motten zugesprochen hat, aber gleichzeitig viele neue Fragen aufwirft.

Detailaufnahme des Pulvers im Rasterelektronenmikroskop (DI Dr. R. Linke)
© Technisches Museum Wien

Die chemische Analyse bestätigt: Es handelt sich beim Pulver um eine proteinhaltige Verbindung
© Technisches Museum Wien
In alten Rezepturen wird oft Stärke oder Eiweiß als Hauptbestandteil von Frisierpulver genannt, aber suchte Herr Kapicka nicht mit einer neuartigen Rezeptur um ein Privileg beim Kaiser an? Hat Herr Kapicka etwa geschummelt und etwas anderes für sein Frisierpulver verwendet, als er am Etikett angibt? Oder wurde das Pulver zu einem späteren Zeitpunkt ausgetauscht? Nicht zuletzt wäre es interessant zu erfahren, ob Herrn Kapicka das Patent erteilt wurde und ob sich sein Produkt am Markt durchsetzen konnte. Fragen, die nur durch weitere Recherchen geklärt werden können und zeigen, wie ein kleiner Fund die Forschung befeuert.
Eines steht zumindest fest: Motten haben offenbar ein feines Gespür für historische Schätze. Sie schlüpfen dorthin, wo sie garantiert nichts zu suchen haben - in Schachteln, Pulver und manchmal sogar mitten in jahrhundertalte Frisiergeheimnisse. Wie man diese ungebetenen Gäste erkennt, warum sie so hartnäckig sind und wie wir ihnen im Museum die Party verderben, ist in unserem Artikel über Mottenbefall zu lesen, der demnächst erscheinen wird.
Tipp:
Allen, die sich für historische Haarprodukte interessieren, empfehlen wir das Buch „Die Toiletten-Chemie“ (1874) von Heinrich Hirzel.
Text: Bettina Sánchez Romero, Wioletta Tenczar, Andrea Bliem
Eines steht zumindest fest: Motten haben offenbar ein feines Gespür für historische Schätze. Sie schlüpfen dorthin, wo sie garantiert nichts zu suchen haben - in Schachteln, Pulver und manchmal sogar mitten in jahrhundertalte Frisiergeheimnisse. Wie man diese ungebetenen Gäste erkennt, warum sie so hartnäckig sind und wie wir ihnen im Museum die Party verderben, ist in unserem Artikel über Mottenbefall zu lesen, der demnächst erscheinen wird.
Tipp:
Allen, die sich für historische Haarprodukte interessieren, empfehlen wir das Buch „Die Toiletten-Chemie“ (1874) von Heinrich Hirzel.
Text: Bettina Sánchez Romero, Wioletta Tenczar, Andrea Bliem