Mo 24.04.2023

150 Jahre Frauenpavillon der Wiener Weltausstellung

Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Wiener Weltausstellung beleuchtete das Technische Museum Wien einen bisher wenig beachteten Aspekt des historischen Großereignisses: Denn mit der erstmaligen Errichtung eines „Frauenpavillons“, in dem Frauenarbeiten präsentiert wurden, schrieb die Wiener Weltausstellung 1873 Geschichte. 
Der damals völlig neue Ausstellungstyp fand fortan internationale Nachahmung und leistete Pionierarbeit im Sichtbarmachen der weiblichen Arbeitswelt. Diese Tradition hält sich bis heute — zuletzt auf der Expo 2020 in Dubai, demnächst in Osaka 2025. Den roten Faden von 1873 bis in die Gegenwart bildet der Ruf nach Gleichstellung von Mädchen und Frauen in Bildung, Arbeit und Familie.
 
Frauenarbeiten vor und hinter dem Vorhang 
Zur Durchführung der Ausstellung im „Pavillon für Frauen-Arbeiten“ formierte sich in Wien 1872 eine „leitende Central-Commission“. Sie setzte sich aus 20 Männern und 32 Frauen aus Adelskreisen und dem liberalen Bildungsbürgertum zusammen. Viele der beteiligten Frauen engagierten sich ehrenamtlich im Wiener Frauen-Erwerb-Verein und waren Vorkämpferinnen für das Recht auf Ausbildung und Berufsvorbildung für Frauen. 
Der Ausstellungsbereich „Nationale Hausindustrie“ überraschte vielleicht weniger – zeigte er doch traditionell weiblich konnotierte (textile) Handarbeiten. Die konzeptionelle Entscheidung zum Bereich „Frauen-Arbeit in der Grossindustrie“ jedoch war aufsehenerregend, denn zum ersten Mal wurden auch weibliche Erwerbsarten in den unterbürgerlichen Schichten thematisiert. Für die Mehrheit der bürgerlichen BesucherInnen war Frauenarbeit in der Industrie damals etwas völlig Unbekanntes und so erfuhren sie erstmals mehr über den Alltag von Arbeiterinnen in unterschiedlichsten Produktionszweigen wie Landwirtschaft, Leder-, Kautschuk-, Metall-, Holz-, Stein-, Glas- und Papierindustrie, Nahrungs- und Genussmittelerzeugung, chemische Industrie, Maschinenwesen, Transportwesen, Kommunikation, Bau- und Zivilingenieurswesen sowie in der Fertigung von wissenschaftlichen und musikalischen Instrumenten. So diente der Frauenpavillon auch der Vermittlung und Vernetzung innerhalb der Frauenschaft und förderte das Verständnis für die Arbeitsbedingungen und Bedürfnisse von Mädchen und Frauen aller Schichten. 
 
Feministische Bewegung oder wirtschaftliche Notwendigkeit?
Die Vorbereitungszeit zur Wiener Weltausstellung stand im Zeichen von Wirtschaftswachstum und dem Erstarken liberaler Kräfte, das Jahr 1873 jedoch war von einem Börsenkrach, wirtschaftlicher Depression und steigender Arbeitslosigkeit geprägt. Vor diesem Hintergrund waren die Zielsetzungen des Frauenpavillons weniger feministisch, sondern vielmehr wirtschaftlich motiviert. Eine wesentliche Voraussetzung und treibende Kraft für die Vernetzung der beteiligten Protagonistinnen und Akteurinnen war der Wiener Frauen-Erwerbs-Verein, der 1866 als erster nicht-konfessioneller Frauenverein gegründet wurde und sich vor allem Themen rund um Schul- und Berufsausbildung für Mädchen und Frauen widmete. Durch die im Frauenpavillon gebotene Aufmerksamkeit und Plattform erfuhren auch die damals noch jungen Frauenbewegungen einen Aufschwung, insbesondere im Kampf um Chancengleichheit bei Bildung und Entlohnung. Dennoch: Die Forderung nach gleichberechtigen Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten – ob nun humanistisch oder wirtschaftlich begründet – hat leider nach wie vor wenig an Aktualität eingebüßt. 
 
Nachhaltige Perspektiven zeigen historisches Ereignis im neuen Licht
Die hybride Jubiläumsausstellung des Technischen Museums Wien zeigt einzigartige Dokumente, die in dieser Form nur hier erhalten sind und untersucht damit die Bedeutung und Auswirkungen des ersten Frauenpavillons auf der Wiener Weltausstellung 1873. Mit zahlreichen Originalobjekten, Archivalien, Fotos gewährt die Ausstellung Einblicke in die damalige Arbeits- und Lebensrealität von Frauen und beleuchtet die Aktivitäten und Initiativen rund um den Frauenpavillon und deren Folgen. Anhand von 1873 ausstellenden Unternehmen wird in einer filmischen Dokumentation der Filmwerkstatt außerdem den wirtschaftlichen und sozialen Kontinuitäten von Frauenarbeit nachgegangen. 
 
Online-Forschungsausstellung „Women at Work“
Auch nach dem Ende von "Women at Work" wird eine multimediale Online-Ausstellung präsentiert, die mit rund 1.000 Digitalisaten zur weiteren Vertiefung einlädt und dauerhaft abrufbar bleibt. Sie dient gleichermaßen als Ausstellung und als Forschungsplattform. Hier wird möglich, was beim Museumsbesuch meist unmöglich ist – die Recherche im Depot. Dieses beherbergt hochauflösende Abbildungen und Volltext-Digitalisate aus dem einzigartigen Weltausstellungsbestand des Technischen Museums Wien sowie spannende Verlinkungen zu Schriften, Archivalien und Sammlungsobjekten, die in der Ausstellung zugunsten eines linearen Narrativs ausgespart wurden. Ziel ist die Fortsetzung der Forschung zum Frauenpavillon – denn es gibt noch vieles zu entdecken zur Geschichte und den Anfängen der österreichischen Frauenbewegung.
 
Making MINT female
Gefördert aus den Mitteln des Bundeskanzleramtes werden begleitend zur Sonderausstellung auch innovative Vermittlungsformate angeboten, die sich speziell an Mädchen* und Frauen* richten. Dabei werden einerseits stereotype Geschlechterrollen in der Berufswelt reflektiert und durchbrochen, andererseits auch spezielle Workshops angeboten, die zu einem offenen und lockeren Zugang zu MINT-Themen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) ermuntern. 
 
Die Jubiläumsschau anlässlich des 150. Jubiläums der Wiener Weltausstellung war vom 3. Mai bis 2. Juli 2023 im Festsaal des Technischen Museums Wien zu sehen und wurde von einer umfangreichen Online-Ausstellung mit hochaufgelösten Digitalisaten der Originaldokumente begleitet, die dauerhaft abrufbar sein wird.
Zur Ausstellung: https://www.technischesmuseum.at/ausstellung/women_at_work
Zur Online-Ausstellung: https://forschung.tmw.at/women_at_work
 
Bilder von der Pressekonferenz und Preview am 2. Mai 2023 gemeinsam mit Frauenministerin Susanne Raab, TMW-Generaldirektor Peter Aufreiter, Ursula Plassnik, Österreichische Regierungskommissärin für die EXPO 2025 Osaka und der Kuratorischen Leitung der Ausstellung Martina Griesser-Stermscheg finden Sie hier:
https://www.apa-fotoservice.at/galerie/32718
 
Außenansicht des Frauenpavillons, „Additionelle Ausstellung“, 1873
© Technisches Museum Wien/Archiv
Außenansicht des Frauenpavillons, „Additionelle Ausstellung“, 1873
Bau des Industriepalastes, 22. 07. 1872
© Technisches Museum Wien/Archiv
Bau des Industriepalastes, 22. Juli 1872
Bau der Rotunde, 16. 08. 1872
© Technisches Museum Wien/Archiv
Bau der Rotunde, 16. August 1872
Bau der Rotunde, 27. 09. 1872
© Technisches Museum Wien/Archiv
Bau der Rotunde, 27. September 1872
Siphonflasche, die auf der Wiener Weltausstellung 1873 genutzt wurde, Wiener Sodawasserfabriken
© Technisches Museum Wien/Archiv
Siphonflasche, die auf der Wiener Weltausstellung 1873 genutzt wurde, Wiener Sodawasserfabriken
Pavillon der Photographen-Association
© Technisches Museum Wien/Archiv
Pavillon der Photographen-Association, 1873
Damenporträt vor und nach der Retusche, aus: Carl Zamboni, Anleitung zur Positiv- und Negativ-Retouche, Halle an der Saale, 1888
© Technisches Museum Wien/Archiv
Damenporträt vor und nach der Retusche, aus: Carl Zamboni, Anleitung zur Positiv- und Negativ-Retouche, Halle an der Saale, 1888
Retuschierpult samt Zubehör, um 1900
© Technisches Museum Wien/Archiv
Retuschierpult samt Zubehör, um 1900
Iduna Laube, Foto: Moriz Müller, Wien, um 1870
© Technisches Museum Wien/Archiv
Iduna Laube, um 1870
Marianne Hainisch, Postkarte, Wien, 1909
© Technisches Museum Wien/Archiv
Marianne Hainisch, Postkarte, Wien, 1909
Postkarte des Schulhauses des Wiener Frauen-Erwerb-Vereins am Wiedner Gürtel 68: Turnsaal, Wien, um 1915
© Technisches Museum Wien/Archiv
Postkarte des Schulhauses des Wiener Frauen-Erwerb-Vereins am Wiedner Gürtel 68: Turnsaal, Wien, um 1915
Postkarte des Schulhauses des Wiener Frauen-Erwerb-Vereins am Wiedner Gürtel 68: Physiksaal, Wien, um 1915
© Technisches Museum Wien/Archiv
Postkarte des Schulhauses des Wiener Frauen-Erwerb-Vereins am Wiedner Gürtel 68: Physiksaal, Wien, um 1915
Erste sechste Klasse des Mädchenlyzeums, Fotografie, Graz, 1879, Leihgeber: Graz Museum
© Sammlung Graz Museum
Erste sechste Klasse des Mädchenlyzeums, Fotografie, Graz, 1879, Leihgeber: Graz Museum
Taufbekleidung aus Wolle und Seide, gehäkelt, Leinwandbindung, 1873 (vermutlich im Frauenpavillon ausgestellt), Leihgeber: MAK Wien
© MAK
Taufbekleidung aus Wolle und Seide, gehäkelt, Leinwandbindung, 1873 (vermutlich im Frauenpavillon ausgestellt), Leihgeber: MAK Wien
Rote Kappe mit Silberstickerei und Fransen, Hausindustrie aus Dalmatien, vor 1873 (vermutlich im Frauenpavillon ausgestellt), Leihgeber: MAK Wien
© MAK
Rote Kappe mit Silberstickerei und Fransen, Hausindustrie aus Dalmatien, vor 1873 (vermutlich im Frauenpavillon ausgestellt), Leihgeber: MAK Wien
Klöppelspitzenunterricht am k. k. Wiener Zentralspitzenkurs, Fotografie, um 1900
© Technisches Museum Wien/Archiv
Klöppelspitzenunterricht am k. k. Wiener Zentralspitzenkurs, Fotografie, um 1900
Arbeiterinnen in einer Schmuckfedernfabrik, um 1910
© Technisches Museum Wien/Archiv
Arbeiterinnen in einer Schmuckfedernfabrik, um 1910
Mustertafel mit gefärbten Straußenfedern, 1837
© Technisches Museum Wien/Archiv
Mustertafel mit gefärbten Straußenfedern, 1837
Brautkranz mit Kunstblumen, um 1900
© Technisches Museum Wien/Archiv
Brautkranz mit Kunstblumen, um 1900
Sträußchen mit Kunstblumen, um 1900
© Technisches Museum Wien/Archiv
Sträußchen mit Kunstblumen, um 1900
Schaukasten zur Entwicklung des Seidenspinners, um 1910
© Technisches Museum Wien/Archiv
Schaukasten zur Entwicklung des Seidenspinners, um 1910
Seidenzucht, Fotografie, um 1910
© Technisches Museum Wien/Archiv
Seidenzucht, um 1910
Seidenzucht, Fotografie, um 1910
© Technisches Museum Wien/Archiv
Seidenzucht, um 1910
Weißnäherinnen bei der Anfertigung von Hemdkrägen, Fotografie, um 1910
© Technisches Museum Wien/Archiv
Weißnäherinnen bei der Anfertigung von Hemdkrägen, um 1910
Der Hughes-Saal mit Telegrafisten und Telegrafistinnen im Postamt Wien 7 (Börsegasse 11), Fotografie, um 1913
© Technisches Museum Wien/Archiv
Der Hughes-Saal mit Telegrafisten und Telegrafistinnen im Postamt Wien 7 (Börsegasse 11), um 1913
Morsetaster von Schäffler, Wien, um 1885
© Technisches Museum Wien/Archiv
Morsetaster von Schäffler, Wien, um 1885
Vitrinen der Ausstellung „Women at Work“, im Hintergrund eine Wand mit dem Bild der „Additionellen Ausstellung“, in der der „Frauen-pavillon“ der Weltausstellung untergebracht war
© Technisches Museum Wien
Vitrinen der Ausstellung „Women at Work“, im Hintergrund eine Wand mit dem Bild der „Additionellen Ausstellung“, in der der „Frauenpavillon“ der Weltausstellung untergebracht war
Viele Frauen, die am „Frauenpavillon“ beteiligt waren, engagierten sich ehrenamtlich im Wiener Frauen-Erwerb-Verein und waren Vorkämpferinnen für das Recht auf Ausbildung und Berufsvorbildung für Frauen
© Technisches Museum Wien
Viele Frauen, die am „Frauenpavillon“ beteiligt waren, engagierten sich ehrenamtlich im Wiener Frauen-Erwerb-Verein und waren Vorkämpferinnen für das Recht auf Ausbildung und Berufsvorbildung für Frauen
Die Ausstellung „Women at Work“ im und vor dem Festsaal des Museums ist bis zum 2. Juli 2023 zu sehen
© Technisches Museum Wien
Die Ausstellung „Women at Work“ im und vor dem Festsaal des Museums ist bis zum 2. Juli 2023 zu sehen
Auf der Wiener Weltausstellung 1873 wurde die weibliche Arbeitswelt erstmals thematisiert. Die Palette der Exponate aus den Kronländern reichte von Handarbeiten aus Schulen über Erzeugnisse aus Frauengefängnissen bis zu in Heimarbeit gefertigten Trachten
© Technisches Museum Wien
Auf der Wiener Weltausstellung 1873 wurde die weibliche Arbeitswelt erstmals thematisiert. Die Palette der Exponate aus den Kronländern reichte von Handarbeiten aus Schulen über Erzeugnisse aus Frauengefängnissen bis zu in Heimarbeit gefertigten Trachten
Teilnehmer_innen Pressekonferenz "Women at Work"
Pressetext "Women at Work"
Übersicht Pressebilder "Women at Work"
Gendersensible Vermittlungsformate
Vermittlungsprogramm "Women at Work"
Eröffnungsnachmittag "Women at Work"